Immer wieder werde ich von Firmen gefragt, ob ich nicht ihre Führungskräfte im Umgang mit Burnout ihrer Mitarbeiter schulen könnte. Wie erkenne ich ein Burnout? Wie gehe ich damit um? Was darf ich sagen und machen? Was besser nicht? Solltest auch du Führungskraft sein und dich das immer wieder fragen, dann helfen dir vielleicht meine Tipps.
Ich habe schon die unterschiedlichsten Ansätze und Meinungen zu dem Thema und der Verantwortlichkeit als Vorgesetzte/r gehört. Von „das geht mich nichts an, liegt ja am Mitarbeiter selbst“ über „Burnout hat gaaaanz viel mit dem Privatleben zu tun und das geht mich nichts an“ bis hin zu „Ich kann ja nicht ändern, wie der/die tickt, also hab ich nichts damit zu tun“. Und natürlich auch positivere Ansätze wie „Klar will ich helfen, ich will den Mitarbeiter ja nicht verlieren, aber wie?“.
Auch wenn die Veranlagung für ein Burnout in der Persönlichkeit des Mitarbeiters liegt und sich über Jahre und Jahrzehnte entwickelt, wird dieses doch ganz entscheidend durch die Unternehmenskultur und den Führungsstil des Vorgesetzten beeinflusst.
Ja, es gibt ein Zusammenspiel zwischen der privaten und der beruflichen Situation und ja, das Privatleben kann der/die Vorgesetzte nicht beeinflussen, trotzdem gehört es ganz klar zu einer Führungsaufgabe, zu erkennen und anzusprechen, wenn sich dein Mitarbeiter im Verhalten verändert.
Wo also beginnen als Führungskraft?
Aufmerksam sein, Veränderungen wahrnehmen
Wenn du als Führungskraft wirklich an deinen Mitarbeitern interessiert bist, dann fallen dir Verhaltensänderungen, die länger als 2 Wochen anhalten, auf. Erste Erschöpfungsmerkmale wie Unkonzentriertheit oder Leistungsabfall können eintreten, aber auch Veränderungen der Persönlichkeit wie z.B. Zynismus oder Sarkasmus. Wenn dein Mitarbeiter immer wieder erzählt, dass er/sie nicht gut schläft, sollten deine Alarmglocken schrillen.
Ein Gespräch über das Allgemeinbefinden kann schnell Aufklärung bringen, ob es sich um eine akute oder bereits eine chronische Erschöpfung handelt. Eine akute Erschöpfung lässt sich leichter beheben als eine chronische. Mehr dazu findest du hier: https://www.corneliapessenlehner.at/akute-oder-chronische-erschöpfung-–-was-belastet-dich/
Wichtig ist es, in so einem Gespräch, zu beschreiben, was dir als Führungskraft aufgefallen ist und zwar z.B. so: „Mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass Sie zunehmend unkonzentriert und/oder erschöpft wirken. Ist das so?“ oder aber auch das eigene Gefühl auszudrücken: „Ich mache mir Sorgen und möchte Sie unterstützen.“ Am Ende des Gesprächs sollte auf jeden Fall ein neuer Gesprächstermin zu dem Thema vereinbart werden.
Die 12 Stufen eines Burnouts mit den typischen Verhaltensmustern kennen
Ein Burnout verläuft stufenweise und geht üblicherweise mit typischen Verhaltensmustern einher. Diese zu kennen und zu erkennen, zu wissen, welche Motive und Absichten hinter welchen stressverschärfenden Gedankenmustern stecken, hilft im Umgang mit Burnout-gefährdeten Mitarbeitern sehr.
Präventiv vorbeugen
Betroffen sind in erster Linie die echten Zugpferde in der Firma: die, die alles perfekt und ordentlich machen, die pünktlich sind und engagiert. Leider erkennen gerade diese oft ihre Grenzen nicht und überschreiten sie regelmäßig in ihrem übersteigerten Drang nach Anerkennung für erbrachte Leistung. Wenn diese Menschen ihre stressverschärfenden Gedankenmuster kennen würden, könnten sie ihre Grenzen besser achten. Das heißt nicht, dass sie weniger arbeiten oder ihre Leistung schlechter wird. Ganz im Gegenteil – mittel- und langfristig steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie gesund bleiben. In meinen Workshops können sie das lernen.
Perfektionisten entlarven
Perfektionismus macht krank und nicht glücklich. Natürlich ist es für eine Führungskraft sehr angenehm, wenn Mitarbeiter immer alles perfekt und pünktlich abgeben. Mittel- und langfristig wäre es aber besser, der Mitarbeiter kennt seine Grenzen und weiß Situationen richtig zu erkennen, in denen Perfektionismus gefragt ist und sie zu unterscheiden von denen, in denen Pragmatismus das Mittel der Wahl ist. Weil – ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss.
Nein-Sagen darf erlaubt sein
Eine offene Unternehmenskultur, in der es erlaubt, erwünscht und normal ist, zu sagen wie es einem geht, erlaubt es auch mal „Nein“ zu sagen, wenn eine Anforderung im Moment nicht erfüllbar scheint. Besonders Menschen mit dem stressverschärfenden Gedankenmuster „Sei beliebt“ tun sich schwer dabei, Nein zu sagen. In ihnen schlummert der tief verankerte Wunsch danach, geliebt und gemocht zu werden und dafür sagen sie oft „Ja“, obwohl sie „Nein“ meinen und versuchen, es jedem recht zu machen. Auch das kann mittel- und langfristig krank machen.
Überprüfung der Arbeitsbelastung
Ständig zur Verfügung stehen zu müssen, viel zu oft Überstunden machen zu müssen, auch in der Freizeit die Mails bearbeiten – das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit macht Erholung schwer. Als Vorgesetzte/r solltest du ständige Erreichbarkeit nicht loben und fördern, sondern nur auf besonderen Einsatz in wichtigen Situationen mit besonders ausgesprochener Anerkennung reagieren. Gesundheitsförderlich ist es hingegen, in der vorgesehenen Arbeitszeit mit seinem Arbeitspensum fertig zu werden und die Freizeit wirklich zur Erholung zu nutzen. Geh mit gutem Beispiel voran!
Außerdem hilft die Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz aufzuzeigen, wo "es krankt".
Familienfreundliche Arbeitszeiten
Besonders wichtig für Mütter, aber zunehmend auch für Väter, sind familienfreundliche Arbeitsmodelle, die Telearbeit, Gleitzeit usw. ermöglichen. Es sollte ganz normal sein, dass MitarbeiterInnen ein Familienleben haben und dieses in der täglichen Planung des Arbeitspensums auch berücksichtigt werden darf. Mit hängender Zunge um 7:30 trotz kleiner Kinder im Büro und um 8 Uhr in der ersten Besprechung sitzen zu müssen, macht wirklich unnötig Druck und Stress und lässt jeden solchen Tag schon unangenehm starten. Eine halbe Stunde später schaut die Welt schon viel entspannter aus!
Offene Gesprächskultur
Regelmäßige Mitarbeitergespräche sollten in jeder Firma mittlerweile als gutes Führungsinstrument erkannt worden sein. Sie sollten motivierend wirken, was sich positiv auf die Gesundheit auswirkt. Diese Gespräche kannst du nutzen, um die Stärken deiner MitarbeiterInnen herauszustreichen! Reite nicht wie in der Schulzeit auf den schlechten Noten = Schwächen herum! Generell hilft eine offene Gesprächskultur und hält gesund! Positive Rückmeldungen, Anerkennung und Wertschätzung sollten vom Arbeitgeber regelmäßig ausgesprochen werden.
Was aber tun im Burnout Fall?
Sollte sich bei deinem Mitarbeiter ein Burnout anbahnen, scheue dich nicht, Experten hinzuziehen. Wenn du ernsthaft Sorge hast, dass sich dein Mitarbeiter etwas antun könnte (letzte Phasen des Burnout Rades nach Freudenberger), dann sprich mit der Personalabteilung, dem Betriebsarzt, dem Arbeitspsychologen.
Erkrankungen heilen kann der Vorgesetzte nicht und ist nicht seine Aufgabe. Wohl aber, diese wahrzunehmen, offen anzusprechen und bei der Heilung zu unterstützen.
Ist dein Mitarbeiter im Krankenstand, setze ihn keinesfalls durch häufiges Nachfragen unter Druck, wann er den wiederkommt. Halte Abstand und warte ab.
Wenn dein Mitarbeiter wieder zurückkommen will, dann versuche möglichst genau herauszufinden, was die Ursachen des Burnouts waren. Liegen diese in der Abteilung, im Privatleben, sind die persönlichen Themen dahinter gut bearbeitet worden? Macht es Sinn für diese Person, wieder in diese Firma zurück zu kommen? Gar in dieselbe Abteilung? Zum selben Vorgesetzten? Ich persönlich bin da skeptisch, dass das funktioniert und habe auch schon ein paar Mal miterlebt, wo das nicht funktioniert hat und das Loch, das sich für den Mitarbeiter nach einer versuchten Rückkehr auftut nur noch größer ist.
Wenn finanziell für den Mitarbeiter vertretbar, ist eine Stundenreduktion bei Wiederkehr immer eine gute Möglichkeit, nicht sofort wieder ins Hamsterrad zu geraten, sondern noch genug freie Zeit – vor allem für Bewegung an der frischen Luft – zu haben.
Zusammenfassend möchte ich noch einmal betonen, wie wichtig es für dich als Führungskraft ist, aufmerksam zu sein, hinzuschauen, wahrzunehmen und anzusprechen, was du siehst. Präventiv etwas für die geistige Gesundheit deiner Mitarbeiter zu tun, ist immer sinnvoller als im Nachhinein zu klagen. Zu den Kosten der Prävention und wie sie sich rechnet, gibt es tolle Studien. Mehr dazu findest du hier: https://www.corneliapessenlehner.at/burnout-prävention/wie-sich-burnout-prävention-rechnet/
Also sei mutig, schau hin und sprich mit deinen Leuten.
Alles Liebe, deine
Cornelia Pessenlehner
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